Wetterstation der Feuerwehr Annerod geht in Betrieb

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Manch aufmerksamer Bürger wird sich fragen, welch merkwürdiger Mast sich neuerdings “Im Erle” befindet und was und wer steckt dahinter?!

Was bei unserer Erstveröffentlichung am 1. April diesen Jahres für einen “Aprilscherz” gehalten wurde (zugegeben, wir haben bewusst ein wenig übertrieben ☺️), konnten wir kurze Zeit später verwirklichen. Ende April wurde eine professionelle Wetterstation von der Feuerwehr Annerod mit Unterstützung der Vereinigte Hagel und Kachelmannwetter installiert und nahm fortan ihren Betrieb auf. Deutschlandweit erstmalig in Zusammenarbeit mit dem Bereich der Gefahrenabwehr …

“Das ist das erste Mal, dass wir eine solche Station für die Gefahrenabwehr aufstellen”

Daniel Rittershausen – Vereinigte Hagel

Ziel ist es verlässliche, aussagekräftige und wissenschaftlich verwertbare Vor-Ort-Wetterdaten zu erhalten, die nicht auf grob berechneter Wettermodelle sondern, auf echten Messwerten beruhen.

Wir möchten somit versuchen uns frühzeitig auf mögliche Wetterszenarien vorzubereiten und uns die Daten vor und im Einsatzgeschehen zu Nutze machen. Insbesondere auch im Bereich der Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung versprechen wir uns einen Nutzen der Daten, um Trockenheit, Winde, Bodenfeuchte etc. vor Ort bestimmen zu können.

Ergänzen möchten wir noch, dass wir im Laufe des Sommers die Wetterdaten allen Bürgerinnen und Bürgern kostenfrei in unserer RAUCHMELDER-App zur Verfügung stellen werden. Sobald dies geschehen ist, werden wir dies mitteilen.

Alle Details konnten einem Vetreter der Gießener Allgemeine bei einem Präsentationstermin genannt werden. Diese sind dem nachfolgenden Artikel zu entnehmen.

Zum Beitrag vom 1. April gelangt ihr »HIER«


v.l.: Daniel Rittershausen (Vereinigte Hagel), Jens Motsch (Kachelmannwetter), Tobias Hennemuth (Wehrführer FFW Annerod), Karsten Gibietz (Vorsitzender Förderverein FFW Annerod)

Bericht der Gießener Allgemeine vom 30.05.2022

Live aus Annerod

Der Kreis Gießen wurde in den vergangenen Jahren gleich mehrfach von schweren Unwettern und Starkregen heimgesucht. Das stellt sowohl die Bevölkerung als auch die Feuerwehren vor neue Herausforderungen. In Annerod soll jetzt eine Wetterstation dabei helfen, solche regionalen Ereignisse vorherzusagen.

Es sieht ein bisschen wie eine weiße Nadel aus, die sich neuerdings am Ortsrand von Annerod in die Höhe reckt. Doch in Zukunft soll diese »Nadel« dabei helfen, die Menschen zu schützen. Um zeitnah auf künftige Starkregenereignisse reagieren zu können, ist die genaue Einschätzung der Wetterlage unabdingbar. Deshalb hat die Feuerwehr Annerod jetzt die Initiative ergriffen.

»Spätestens seit dem Hochwasser im Ahrtal vergangenes Jahr weiß jeder, wie wichtig eine ortsnahe und präzise Wetterprognose ist«, sagt der Anneröder Wehrführer Tobias Hennemuth. Die Regenmassen, die im Sommer 2021 über dem Ahrtal niedergingen, konnte keines der überregionalen Prognosemodelle vorhersagen. »Die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes sind dafür einfach zu grob. Das betrifft Prognosen von Starkregenereignisse genauso wie die Waldbrandgefahr«, sagt Hennemuth. »Es bringt bei all diesen Ereignissen wenig, wenn man globale Daten hat.« Die Feuerwehr traf deshalb den Entschluss, mit einer eigenen Wetterstation die Daten zu erheben, die für die Einschätzung von Gefahrenlagen vor Ort wichtig sind.

Dennoch dürften sich am 1. April einige gedacht haben: »Darauf falle ich nicht rein.« Damals kündigte die Feuerwehr auf ihrer Homepage und in den sozialen Netzwerken an, jene Wetterstation in ihrem Heimatort einrichten zu wollen und einen Wetterbericht live aus Annerod anzubieten. Doch das war kein Scherz, zumindest kein richtiger. Ende April wurde die Station am Ortsrand in Richtung Steinbach aufgestellt. Übertrieben hatten die Feuerwehrleute nur etwas bei der Größe der Anlage. Aber auch so ist sie auffällig genug, insbesondere der zehn Meter hohe Mast.

Einen Kooperationspartner für ihr Projekt fand die Feuerwehr dabei in der Vereinigten Hagelversicherung. Die Versicherung hat in den vergangenen Jahren 700 solcher Stationen in ganz Deutschland aufgebaut, um Landwirte bei der Risiko-Einschätzung zu unterstützen. Die Kooperation zwischen der Feuerwehr und der Versicherung ist jedoch deutschlandweit einzigartig. »Das ist das erste Mal, dass wir eine solche Station für die Gefahrenabwehr aufstellen«, sagt Daniel Rittershausen von der Vereinigten Hagel bei der Vorstellung der Anlage.

Das Prinzip ist dabei einfach: Je mehr Stationen aufgebaut werden, desto mehr Daten existieren. Anschließend werden anhand dieser Daten Wetterprognosen durch die Kachelmann-Gruppe erarbeitet. Das Unternehmen ist derzeit dabei, in Deutschland ein engmaschiges Netz von kleinen, regionalen Wetteranlagen zu schaffen. »Je mehr Anlagen und Daten bereitstehen, umso genauer können wir Prognosen abgeben«, erklärt Jens Motsch (Kachelmannwetter).

Die Daten aus der Anlage können zudem für hydrologischen Modelle eine Rolle spielen. Mit solchen kann gezeigt werden, wie die Wassermassen nach Starkregenereignissen abfließen und wohin. Durch regionale Wetterdaten lässt sich so ein noch genaueres Gesamtbild erstellen.

Bis die Feuerwehr Vorwarnungen durch die gesammelten Daten tätigen kann, wird noch etwas Zeit vergehen: »Wir müssen hier zuerst 18 Monate lang Daten sammeln, bevor diese in Wetterprognosen eingehen können«, erklärt Hennemuth. Denn zuerst muss das Zusammenspiel der Werte mit den darauffolgenden Wetterlagen analysiert werden.

Die Wetterstation bietet noch mehr Vorteile für die Feuerwehr, zum Beispiel bei Waldbränden. »Wenn man eine Vorwarnung hat, dass sich der Wind drehen wird oder sich die Windstärke ändert, kann man darauf reagieren«, sagt Hennemuth. Das hat gerade für die Anneröder Feuerwehr eine große Bedeutung. In Sachen Waldbrand ist sie die Kerngruppe für die Brandbekämpfung im Kreis.

Die Messstation verfügt aktuell über drei Sensoren: Ein Niederschlagsmesser, ein Sensor für Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck und Sonneneinstrahlung und ein Sensor zur Wind-Erfassung in zehn Metern Höhe. Da die Wetterstation in Form eines »Baukastensystems« gestaltet ist, können noch weiterer Geräte hinzugefügt werden. Derzeit noch in Planung ist ein Sensor für die Bodenfeuchte. »Das ist zwar vor allem für Landwirte interessant. Man kann damit aber auch die Gefahr eines Flächenbrandes besser abschätzen«, erklärt Hennemuth.

Klar ist jedoch, dass diese Station keine Unwetterschäden vermeiden kann: »Wir können mit dieser Anlage keine vollgelaufenen Keller verhindern. Aber wir können die Bevölkerung früher warnen, was auf dem Weg zu uns ist«, sagt Hennemuth. Und eine kurzfristige Warnung ist besser als keine. Auch das ist eine der Lektionen aus dem Ahrtal-Hochwasser.

© Bericht der Gießener Allgemeine vom 30.05.2022 – Constantin Hoppe

Impressionen vom Aufbau …

Fotos: Till Schuermann